Warum tut Gott manchmal etwas Unverständliches?

Immer dann, wenn uns selbst unverhofftes Unglück trifft oder wir ganz in der Nähe mit Leid und Tod konfrontiert werden, tauchen existenzielle Fragen auf: "Wie konnte Gott so etwas zulassen?"- "Wo war Gott, als das geschah?"- "Warum traf es gerade mich oder unser Land?"
Schreckliche Ereignisse rufen obige Fragen aktuell ins Bewusstsein. Wenn wir in den Nachrichten von Katastrophen irgendwo auf der Welt hören, gehen wir nur allzu schnell darüber hinweg. Offenbar ist alles so weit weg, dass man bald wieder zur Tagesordnung übergeht.

Geschieht so etwas aber in der eigenen Stadt und kennen wir vielleicht gar den einen oder anderen der persönlich Betroffenen, dann sind wir zutiefst schockiert. Um ein Haar hätte es doch auch uns treffen können. Hat uns Gott noch einmal verschont, weil wir ihm wertvoller sind als die Umgekommenen?

Als zur Zeit Jesu der Turm von Siloah umkippte und 18 Personen begrub (Luk 13, 1-5), tauchten auch dort sofort die Warum-Fragen auf. Jesus sagte den Bestürzten: "Meint ihr, dass die achtzehn...schuldiger gewesen sind als alle anderen Menschen? Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen." 

Jesus lehrt uns damit zwei wesentliche Dinge:

- Die Umgekommenen waren nicht größere Sünder als die Überlebenden, und

- das Unglück ist ein Bußruf an die Überlebenden - und damit auch an uns.

Ein weiterer Gedanke, der uns besser zu verstehen hilft, steht in Amos 3,6: "Ist etwa ein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht tut?" Diese Aussage mag uns im ersten Augenblick entsetzen: Gott lässt das Unglück nicht nur zu; mehr noch: er ist sogar der Urheber. Das passt doch gar nicht so recht in unsere verniedlichende Vorstellung vom "lieben Gott". Bedenken wir aber: Derselbe Gott hat eine Sintflut veranlasst, bei der Millionen von Menschen jämmerlich ertranken. Derselbe Gott hat über die Amalekiter das Gericht verhängt, das ganze Volk mit Stumpf und Stiel auszurotten (1. Sam. 15, 2-3). Derselbe Gott spricht auch das Verdammungsurteil über die Gottlosen (Offb. 21, 8). Dennoch ist dieser Gott die Liebe in Person (1. Joh. 4,16). Es ist auch derselbe Gott, der "seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn (ewig!) leben sollen" (1. Joh. 4, 9).

Entsetzen über Unglücke und Katastrophen ergreifen. Stellen wir uns einmal vor, dieselben Personen wären nach und nach innerhalb eines Jahres gestorben - der eine an Krebs, der andere an einem Herzinfarkt, wieder ein anderer durch einen Autounfall usw. Außer den unmittelbaren Angehörigen hätte sonst kaum jemand Notiz davon genommen. Durch die Konzentration des Leids auf ein Einzelereignis aber geht ein aufgewühltes Fragen nach Gott durch das ganze Land.*

Gottes Liebe möchte uns auch ohne Unglück den Himmel schenken. Unser versteinertes Herz aber fragt oft erst nach Gott, wenn uns etwas Unüberhörbares aus dem Schlaf der Sicherheit rüttelt.

Quelle: Werner Gitt, in : "Wort und Wissen" Nr. 69 vom November 2004

* Ein solches Einzelereignis, das jedoch nicht nur eine Stadt oder bestimmte Region, sondern die ganze Welt erschüttert, ist die Corona-Pandemie (2020/21). Kaum einer der selbstsicheren Erdenbewohner stellt aber noch die Frage nach Gott, d.h. wenn überhaupt, dann allenfalls mit dem Vorwurf an ihn: Wenn es einen Gott gibt, wie kann er das nur zulassen? Was Werner Gitt in seinem Text nicht erwähnt hat, sind die beim Auszug aus Ägypten (Exodus) erwähnten zehn über dieses Land gekommenen Plagen, die jedem Nachdenklichen im Zusammenhang mit dem weltweit verbreiteten Corona-Virus in den Sinn kommen müssten. Ist die Menschheit überhaupt noch aufzurütteln?