Komm, Heilger Geist, der Leben schafft,
erfülle uns mit deiner Kraft.
Dein Schöpferwort rief uns zum Sein.
Nun hauch uns Gottes Odem ein.
Amen.

Text: Nach dem lat. "Veni Creator Spiritus"
Melodie: Kempten/Allgäu um das Jahr 1000


Ausschnitt aus der Pfingstsequenz:

Pfingstpredigt 2002 des Limburger Bischofs Franz Kamphaus

Flexibel sei der Mensch, clever und cool. So hört man es von allen Seiten, vorab von der Wirtschaft - und in deren Schlepptau von der Politik. Die an der Spitze rufen am lautesten: Flexibel sei der Mensch, zu deutsch: biegsam, angepasst! Wer stehen bleibt, verliert. Beständig ist nur der Wandel. Der Markt ruft fortwährend nach Neuem. Heute wird ein junger Amerikaner nach dem Studium in vierzig Berufsjahren wenigstens elfmal die Stelle wechseln und dabei sein Wissen wenigstens dreimal austauschen.
Die Folgen sind ebenso naheliegend wie weitreichend. Warum sich tiefer einlassen in eine Sache? Oberflächliche Kooperation genügt, ganz cool -versteht sich-, auf Distanz. Das ist der Typ des neuen Siegers: Im Hin und Her ändert er rasch seine Bindungen an Umstände und Menschen. Er ist mit allen Wassern gewaschen und schwimmt auf jeden Fall oben, im Mainstream. Wer nicht mitschwimmt, hat das Nachsehen - bis alles baden geht. Was ist in einer mobilen, ständig sich wandelnden Gesellschaft von bleibendem Wert? Alles wird austauschbar und ersetzbar, am Ende auch der Mensch selbst mit seinen Beziehungen. Man spricht -offenbarend genug- von Ehemobilität.

Ganz zu schweigen von der Mobilität in den Überzeugungen. Es ist heute chic, Positionen zu vertreten, wie jemand Seife oder Hemden vertritt und immer mal Produkt und Firma wechselt - ohne sein Herz daran zu hängen, geschweige denn sein Leben. Schauen Sie in die Politik: Friedensbewegte der 80-er Jahre sind damit einverstanden, dass auch nach sieben Monaten in Afghanistan immer noch gebombt wird. Wir verlernen jede Entschiedenheit, mit der man in zentralen Lebensfragen nur so denkt und nicht anders. "Hier stehe ich und kann nicht anders", sagte Martin Luther. Heute heißt das: Hier stehe ich und kann auch ganz anders.

Flexibel sei der Mensch! Wirklich? Flexibel ist ein lateinisches Wort. Das Lexikon übersetzt: biegsam, geschmeidig, unbeständig, haltlos. Also: Haltlos sei der Mensch? Das kann's doch nicht sein.
Mancher denkt bei solcher Kritik: "Ach ja, typisch Kirche. Da ändert sich nichts. Immer dasselbe, langweilig, starr. Das führt dann schließlich in den Fundamentalismus. " So nicht! Wandlungsfähigkeit hat ja durchaus ihr Gutes. Wir Christen halten viel von Wandlung, gerade von Pfingsten her. Die Pfingstsequenz (siehe oben) singt ein Lied davon: "Flecte quod est rigidum" ("Beuge, was verhärtet ist.") Da steckt das Wort "flexibel" drin. Flexibel zu sein ist nicht in jedem Fall schlecht. Fatal ist die Veränderung um jeden Preis, ohne erkennbare Maßstäbe, nur weil es Spaß macht. Nichts erfordert so viel Treue und Beständigkeit wie lebendiger Wandel.

Mir ist ein Wort der Dichterin Hilde Dormin wichtig geworden:"Man muss weggehen können und doch sein wie ein Baum: Als bliebe die Wurzel im Boden..." Ja: "Man muss weggehen können..." Wer immer auf der Stelle steht, muss nicht standfest sein; er kann auch lahm oder starr sein. "Man muss weggehen können und doch sein wie ein Baum: Als bliebe die Wurzel im Boden..."
Die Wurzel bringt Nahrung in den Baum, mit dem Wasser Leben. Wo haben wir unsere "Wurzel im Boden" zum Lebenswasser, das uns nährt? Wir sind nicht mit allen Wassern gewaschen, sondern mit einem ganz bestimmten: "Wer Durst hat", ruft Jesus, "komme zu mir und trinke es, wer an mich glaubt." Da, an den Quellen scheiden sich die Geister. Da zeigt sich, wes Geistes Kind wir sind. Wir sind in der Taufe wiedergeboren aus dem Wasser und dem Heiligen Geist.
Flexibel sei der Mensch...Viele meinen, die Kirche sei deswegen in die Krise geraten, weil sie sich dem modernen Lebensgefühl nicht anpasst. Aber ihr Problem liegt vor allem in den Anpassungsschwierigkeiten gegenüber Jesus und seiner Botschaft. Haben wir ihn in unserer Praxis nicht allzu sehr uns angepasst, statt dass wir uns ihm anpassen? Das entscheidende Kriterium für Veränderungen und Wandlungen in der Kirche ist dies, dass die Wurzel im Boden bleibt.

* Zu den sieben Gaben des Heiligen Geistes gehört der Starkmut, die Standfestigkeit. Darum zu bitten ist durchaus an der Zeit - nicht nur zu Pfingsten.

 

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P.S.:  Laut Statistischem Landesamt hat in Rheinland-Pfalz die Zahl der Scheidungen eine Rekordhöhe erreicht. Im Jahr 2002 wurden mehr als 11.000 Ehen geschieden. Das waren so viele wie in keinem Jahr zuvor seit Bestehen des Landes Rheinland-Pfalz. Bundesweit wurden im gleichen Jahr 204.000 Ehen geschieden, wobei die meisten Ehepaare bei ihrer Scheidung erst fünf Jahre verheiratet waren.

In Holland ist seit April 2001 die Umwandlung von Ehen in eingetragene Partnerschaften und umgekehrt möglich.
Die Scheidung kann ein Notar vornehmen, ein Richter wird nicht mehr benötigt. Seit 2003 läuft übrigens im Rahmen der "e-justice" ein Pilotprojekt, das die Scheidung via Internet ermöglichen soll. Die Schlagzeile in der Presse lautete vielsagend "Scheidung über das Internet heißt das Ziel".

Laut einer Forsa-Umfrage im Jahr 2004 ist für 79 % der Deutschen die Ehe nicht mehr für eine glückliche Partnerschaft erforderlich.

Nach Angaben des  Statistischen Bundesamtes wuchsen im Mai 2003 etwa 2,2 Millionen Kinder unter 18 Jahren (knapp 15 %) bei einer allein erziehenden Mutter oder einem allein erziehenden Vater auf.